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Deutsche und Humor - Wetten, dass..?

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Im Moment kursiert ein äußerst unterhaltsames Video im Netz, das einen Ausschnitt einer US-Talkshow zeigt, die ich gestern Abend vor dem Schlafengehen hier in San Francisco live im Fernsehen erleben durfte. Dabei musste ich Tränen lachen:

Im Video erzählt Will Arnett, mein Lieblingsschauspieler aus der unfassbar tollen Serie Arrested Development, dem US-Comedian Jimmy Kimmel in dessen Live-Talk von seinem Auftritt in der deutschen TV-Sendung Wetten, dass…?

Prompt titelte die Süddeutsche Zeitung “Will Arnett lästert über Wetten, das…?”. Allerdings wurde inzwischen die Schlagzeile offenbar angepasst, weil man merkte, dass der Begriff des Lästern nicht recht zu einem Auftritt bei einer der zuschauerstärksten US-Talksendungen passen könnte. Die URL wurde allerdings noch nicht angepasst, ebenso die Posts auf Facebook zum Thema. Nun findet man “Lästern” lediglich in der Unterüberschrift. Nunja.

Schon wieder so etwas, das scheinbar die deutsche Seele mitten ins Herz trifft. Wetten, dass…? ist nationale Identität und viele von uns sind Zuschauer seit der frühen Kindheit. Die deutsche Show steht also für Heimat, Nostalgie, Identität und noch vieles mehr. Die Kommentare auf der Facebook Seite der SZ sind sich einig: “Will Arnett besucht die Sendung, informiert sich vorher nicht und ‘lästert’ dann noch über die Show. Dreist und deshalb unwahr!” Dabei vergessen die Aufgebrachten vermutlich, dass wir selber die Humorlosen in diesem Spiel sind und Will so gesehen mit seiner sehr unterhaltsam formulierten These nur recht geben. Eigentor. Die Deutschen können eben Humor nicht so gut. Nicht im Mainstream.

Eigentlich ist das Witzeln von Will Arnett bei genauer Analyse sehr positiv und als Werbung für das deutsche Format zu bewerten. Ich meine, wer guckt ernsthaft Wetten, dass…? aus Qualitätsgründen? Wegen dem guten Talk? Wegen den spannenden Gästen? Wegen den seriösen Wetten? Ach bitte! Gucken wir nicht eigentlich aus Traditionsgründen? Auch wegen der unglaublichen Absurdität der Wetten? Weil wir samstags nicht zu tun haben und zu dick oder zu traurig für die Disko sind? Einen Hund an seinem Bissabdruck auf einer Frisbee erkennen? Könnten wir nicht auch langsam mal beginnen über uns selber zu lachen? Nur weil die Kritik von einem Amerikaner kommt, ist sie nicht böse oder verkehrt, sondern in erster Linie wahr und witzig und zeigt den eigentlichen Wert von Wetten, dass…? - gelockerte Unterhaltung mit einem hohen Trashfaktor. Sorry, Will hat recht!

Für mich sind übrigens die von Will aufgezählten Gründen, die einzige Motivation die Sendung überhaupt zu gucken. Und ich glaube die Amerikaner, und das erlebe ich hier täglich, fühlen sich durch Will und die vielen anderen US-Stars, die irritiert über ihre Gastrolle in deutschen TV-Formaten berichten, eher interessiert an solchen Formaten. Der Asurdität wegen.

Generell ist zu sagen, dass sich Humor hier in den USA oft anders äußerst. Der deutsche Mainstream schaut sich gerne Barth an, lacht über Nuhr - man lacht eher über die anderen als über sich selbst. Lieber über Frauen, lieber über Menschen mit Migrationshintergrund, lieber über homosexuelle Menschen. Unser Humormainstream ist recht flach und geht häufig auf Kosten der anderen. In den USA geht es thematisch im Grunde aber nicht anders zu, dennoch ist der Zugang zum Thema ein anderer - filigraner. Der Comedian sieht sich dabei selbst eher als fehlbar, er lässt kein gutes Haar an sich selbst. Ein schlauer Mensch hat mal gesagt: “Ein Witz, der eine Minderheit thematisiert, muss in erster Linie sehr gut sein, damit er berechtigt ist.” Das fehlt mir in Deutschland oft. Die Leute lachen aus den falschen Gründen. Aber das ist erstmal eine subjektive Einschätzung. Daher hier zum Abgleich mal die hervorragende Sarah Silverman:

Kimmel himself brachte mich kürzlich übrigens auch sehr zum Lachen, als er bei der US-Sendung Shark Tank eine Idee für Horse Pants pitchte:

Published 30 Oct 2014